Die Wálhalla über der Donau
Dieser hoch über den Donau-Auen gelegene 'griechische Tempel' ist dem bayerischen König Ludwig I. (reg. 1825-1848) zu verdanken und ist eines der bedeutendsten deutschen Nationaldenkmäler des 19. Jahrhunderts.
Wálhall - mit Betonung auf der ersten Silbe: Wálhall - (oder Válhall, im Volksmund oftmals auch Wálhalla genannt) bezeichnet in der nordischen Mythologie das Ziel aller gefallenen Krieger, die sich als tapfer erwiesen hatten und in der Schlacht ihr Leben gelassen hatten. Von Göttervater Odin selbst auserwählt, fanden die mutigen Männer ihre letzte Ruhestätte in einer Halle in seinem in Asgard errichteten Schloss. Diese prächtige Halle, die den Einherjern zur letzten Ruhestätte wurde, befand sich in Odins Burg in Asgard, der Burg Gladsheim. Diese galt als die größte in Asgard errichtete Burg und diente dem Göttervater selbst als Wohnsitz. Den Vorstellungen des germanischen Götterglaubens entsprechend handelte es sich bei Walhall um eine überaus prunkvoll gestaltete Halle, deren Dach aus auf Speeren ruhenden Schilden bestand. Besonderes Augenmerk wurde vor allem auf die über 500 Tore gelegt, die aus der Halle führten: Jedes Einzelne von ihnen war so breit, dass achthundert Einherjer in einer Reihe hindurch schreiten konnten. Walhall war bewusst so konzipiert, damit die auserwählten Krieger bereits beim ersten Anzeichen der Götterdämmerung ausrücken könnten, um an der Seite Odins und im Kampf für ihn und sein Gefolge ein zweites und letztes Mal zu fallen. Zeitlich ist diese Mythologie der Wikingerzeit zuzurechnen, deren Beginn zumeist mit dem Angriff auf das Kloster Lindisfarne im englischen Northumberland im Jahr 793 n. Chr. gleichgesetzt. Von den ersten Kolonien in Großbritannien aus erweiterten die Wikinger fortan kontinuierlich ihr Einflussgebiet nach Island und Grönland. Der Erfolg der Wikinger gründete sich vor allem auf ihre Geschicklichkeit beim Segeln und ihre enormen Fertigkeiten im Schiffsbau, ihre Drachenschiffe waren schmaler, schneller und leichter als die Flotten aller anderen Europäer. Quelle: Link
Der von Ludwig I so bezeichnete Wálhall-Tempel wiederum orientiert sich an griechischen Vorbildern (ὁ ναός ho naós - „Wohnung“), etwa dem Poseidon- Tempel in Paestum: Dieser wurde aber etwa um 500 v. Chr. erbaut.
Foto: pk
zum Bild des Poseidon-Tempels rechts: Diese Datei ist unter der Creative-Commons (https://en.wikipedia.org/
Namensnennung: Berthold Werner
Dass Ludwig I. griechische und germanische Mythologie verband erklärt sich vielleicht aus mindestens 3 Quellen:
- Die Zeit der Romantik, deren Motive sich aus das Schaurige, Unterbewusste, Fantastische, Leidenschaftliche, Individuelle, Gefühlvolle und Abenteuerliche sind, welche die Grenzen des Verstandes sprengen und erweitern sollten und sich gegen das bloße Nützlichkeitsdenken sowie die Industrialisierung richteten.
- Die Verehrung Griechenlands, welche für Ludwig I. in seinem Sohn Otto gipfelte, der ja 1832 zum griechischen König gekrönt worden ist, aber kläglich gescheitert ist: siehe SZ-Magazin vom 28. Mai 2015.
- Schließlich ist das Überleben dieser Faszination wohl auch Richard Wagner - welcher natürlich in der Walhalla mit Büste vertreten ist - zu verdanken, der im Ring der Nibelungen, in Lohengrin und Parzifall sowie Tristan und Isolde unsterbliche Kunstwerke geschaffen hat: Link.
Insgesamt ist es also verständlich und gerechtfertigt, dass der Freistaat Bayern in den Jahren 2004 bis 2015 gut 13 Mio Euro für die Sanierung "eines der wichtigsten Nationaldenkmäler unseres Landes und ein herausragendes Zeugnis klassizistischer Architektur des 19. Jahrhunderts" (Staatssekretär Bernd Sibler) investiert hat : Link.
Im marmornen Inneren dieses Bauwerks finden sich entlang der Wände die Büsten und Gedenktafeln der von Ludwig I. und seinen Beratern ausgewählten »Walhallagenossen« aufgereiht, eine Zusammenstellung der im 19. Jahrhundert als vorbildlich erachteten Herrscher, Feldherren, Wissenschaftler und Künstler. Seit 1962 werden die ursprünglich 96 Büsten in Abständen von fünf bis sieben Jahren wieder ergänzt. Die Auswahl erfolgt durch den bayerischen Ministerrat auf Empfehlung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Der darüber umlaufende Figurenfries Martin von Wagners entwirft eine ideale Geschichte der Germanen von den ersten Einwanderern bis zur Christianisierung im frühen Mittelalter.
Fotowiedergabe einer alten Postkarte: pk
Aber:
Thomas Mann oder Bert Brecht sucht man vergeblich
Fast wortgleich nannte Bayerns Finanzminister Markus Söder jetzt 150 Jahre danach die Walhalla "ein Symbol für die nationale Einheit Deutschlands, für gemeinsame Identität, Sprache und Kultur". Thomas Mann, Bert Brecht, Heinrich Böll sucht man unter den 195 Marmorbüsten und Gedenktafeln freilich vergebens, kein einziger Schriftsteller des 20. Jahrhunderts ist in diesem Heiligtum deutscher Sprache und Geistesgeschichte vertreten. Immerhin sollte die kleine Frauenriege in der Walhalla in den nächsten Jahren um drei Marmorköpfe wachsen: Edith Stein, Karolina Gerhardinger – und Sophie Scholl, die unter all den Germanenhäuptlingen, Feldherren und greisen Gelehrten wie ein widerborstiger Teenager anmutet.
Die Kritik an der Personenauswahl wird immer stärker: Gefordert wird deshalb, entweder die Versammlung der steinernen Promis massiv zu aktualisieren oder statt des oberflächlichen Heldenkults aufgeklärte Museumspädagogik zu betreiben. Leichter gesagt als getan. In den Wandgalerien der Walhalla ist nur noch Platz für vier neue Büsten.
nach: Sonntagsblatt vom 30.10.2017 "Ruhmeshalle ohne Reformatoren - 175 Jahre Walhalla – Pathos, Peinlichkeiten, Possen" - von Christian Feldmann
zur Webseite der bay. Schlösserverwaltung - Walhalla - auf das Bild klicken:
Schifffahrten Regensburg - Donaustauf/Walhalla: Link
'ausnahmsweise' hier mal zur Google-Seite der Wálhalla: Link