Im Jahr 1989 feierte die ehemals selbständige Gemeinde Amselfing seine 1200-jährige urkundliche Erwähnung mit drei großen Festtagen. Anläßlich dieses für den gesamten Landkreis Straubing-Bogen doch nicht unbedeutenden Ereignisses verfasste der in Amselfing geborene Johann Aichner eine ausführliche Festschrift sowie eine Geschichte der Kirche St. Stephanus. Die ehemalige Pfarrei Amselfing gehört nun zur Pfarrei Ittling, gemeindlich ist Amselfing der Gemeine Aiterhofen zugeordnet. Im Jahre 2019, also 30 Jahre nach dem Ortsfest, feierte die Expositur Amselfing am Ostermontag die Aufstellung eines durchaus geschichtsträchtigen historischen Harmoniums mit einem festlichen Gottesdienst. Dieser RePaLi-Beitrag berichtet von diesem Ereignis und bringt Auszüge aus der o. g. Geschichte der Kirche St. Stephanus.
Hans Aichner führt u.a. aus:
Zur Geschichte der Filialkirche und des Gotteshauses St. Stefan ist uns folgendes bekannt: Über die Anfänge der Kirche zu Amselfing - meist als Nebenkirche oder Filialgotteshaus bezeichnet - liegen uns Urkunden oder andere Nachweise leider nicht vor. Als Hinweis auf den Bestand einer Kirche kann wohl die heute noch vorhandene Glocke, die die Jahreszahl 1524 trägt, gewertet werden. Eine frühere schriftliche Quelle findet sich in der historischen Karte von Apian, auf der die Ortschaft Amselfing durch die Abbildung eines Gotteshauses einschließlich Turm dargestellt ist.
Einiges deutet darauf hin, daß Amselfing von seinen bajuwarischen Anfängen an eine eigene Kirche bzw. ein Gotteshaus besaß. Darauf läßt vor allem das Patrozinium des Hl. Stephanus für die Amselfinger Kirche schließen. Stephanus war als Heiliger des frühen Christentums für die ersten Christen und frühen Kirchen unseres Landes ein beliebter Kirchenpatron. Hätte die Kirche nicht vorher schon bestanden, würde sicherlich das Kloster Niederalteich, ab ca. 760 die Grundherrschaft in Amselfing, für Kirche und Seelsorge ihrer Grunduntertanen Sorge getragen haben. Die Annahme einer frühen Kirche wird auch durch die Tatsache gestützt, daß sich Kirchplatz und Gotteshaus an geländemäßig höchster Stelle im Dorf befinden und der benachbarte Hof schon in frühen Aufzeichnungen als "Kirchmayrhof" bezeichnet wird. Ferner hatte die Kirche von Amselfing, so weit dies in Quellen zurückzuverfolgen ist, eine gute Fundation und ein der Kirche von altersher zugehöriges Mesneranwesen.
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Über den Vorgängerbau des jetzigen Gotteshauses wissen wir aus einer Beschreibung der Pfarrei Ittling aus 1650 von Adamus Dux, Vicarius in Ittling nur folgendes: „Amselfing ist filial, Patron ist St. Stephan, zwei Altäre, einer davon verwüstet, je ein silberner und vergoldeter Kelch, alle notwendigen Geräte sind da."
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Die Erbauung des bestehenden im Barockstil errichteten Gotteshauses wird mehrmals auf 1666, aber vereinzelt auch auf 1660 und 1698, datiert. Zu einer gründlichen Renovierung und zur wohl erstmaligen künstlerischen Ausgestaltung des Kircheninneren durch den Maler und Vergolder Max Merz aus Straubing kam es 1866.
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Im Jahre 1870 wurde das Kircheninnere durch 14 Kreuzwegstationen für 448 fl des Straubinger Malers Alois Jagendeubl komplettiert. Die Kirche hatte damit jene Ausstattung erfahren, wie sie noch vielen in Erinnerung ist und bis zur völligen Umgestaltung 1962 Bestand hatte.
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Unter dem Zeitgeist der Nüchternheit, der Moderne und einem sich wandelnden Liturgieverständnis erfuhr 1962 das Gotteshaus unter Pfarrer Nather eine völlige Um- und Neugestaltung.
Das Kircheninnere zeigt sich nun im wesentlichen auf seine ursprüngliche bauliche Ausgestaltung, mit einem neuen schlichten Steinaltar beschränkt. Von der alten Ausstattung übernommen wurden vier Heiligenfiguren (zwei Madonnen, St. Rochus und St. Sebastian), das alte Altargemälde (Steinigung des Kirchenpatrons), ein Kreuz und ein Kreuzpartikel-Ostensorium sowie die Kreuzwegstationen. Schon in den 60er Jahren wurde die altersschwache Orgel auf der Empore abgebaut; ein entsprechender Ersatz kam (noch) nicht zustande.
Weitere Ausführungen über die Seelsorge, die Kirchenstiftung und die Kirche als Geldgeber sowie die Pfarrer von Amselfing beschließen die 6 Din-A4-Seiten große Abhandlung über "300 Jahre Filialgotteshaus St. Stefan". Eine Bezugsquelle der gesamten Abhandlung kann uU im Pfarramt St. Johannes in Ittling erfragt werden.
Der Hinweis auf die "in den 60er Jahren abgebaute altersschwache und bis dato noch nicht ersetzte Orgel" war dann u.a. im Jahre 2019 Anlaß, am Ostermontag 2019 mit einer festlichen Messe ein durchaus mit persönlichen Anekdoten behaftetes, etwa 120 Jahre altes, gründlich renoviertes Harmonium - insbesonders den Organisten und Sängern in St. Stephanus - den kirchlichen Segen zu erteilen:
"Zeit der Stille ist vorbei!"
Kulturförderung der schlichtschen Art
Die "Messe brève no. 7 aux chapelles" von Charles Gounod schuf den festlichen Rahmen zur liturgische Indienstnahme eines Harmoniums in St. Stephanus in Amselfing. Damit endet vorerst die Reise dieses Instruments und dient fernerhin der musikalischen Erhöhung des liturgischen Geschehens.
Unter der Leitung des Vorsitzenden des Schlichtvereins sang ein eigens für diese Feier zusammengestellter "Joseph-Schlicht-Projektchor", die Solopartien lagen in Händen von Sabine Trageser, Gabriele Krön, Ossi Betz und Franz Schötz, das Harmonium spielte Franz Schnieringer, Zelebrant war der ehemalige Eigentümer des Instruments, Pfr. Stefan Altschäffel.
Dessen Homilie des Emausgangs der Jünger nach Lukas 24,13-35 war eine wahre "Oster"-Predigt: Frei vor seinen aufmerksamen Zuhörern sprechend legte er den den lukanischen Spannungsbogen dieser Erzählung offen, deren theologischen Inhalt und die Bedeutung für uns Heutige dar - "Herr, bleibe bei uns!".
Der kleine, aber feine, aufmerksam singende, bisweilen auch - Gloria! - stimmgewaltige Joseph-Schlicht-Projektchor, der sich ja erst eine Stunde vor der Aufführung zur ersten und einzigen Probe traf, erntete für seine bewegende Interpretation des lateinischen Ordinariums Kyrie, Gloria, Sanctus und Agnus Dei allseits großes Lob, beeindruckend auch das "O salutaris" des Solistenquartetts.
Die anschließende Weißwurstbrotzeit im Holzapfel-Hof rundete diesen festlichen Ostermontag kulinarisch ab.
Gedankt sei auch den Eltern des Stefan Altschäffel sowie der Kirchenstiftung Ittling gesagt, welche dieses Projekt des Schlichtvereins gefördert haben.
Eine große Freude ist es demjenigen, der dieses Instrument wieder zum Klingen gebracht hat und auch einen würdigen Platz in der Kirche St. Stephanus gefunden hat, dass auch mehr als ein Jahr nach der "Indienststellung" das Harmonium immer noch gespielt wird, zum Beispiel vom aktuellen Pfarrer von Ittling und ehemaligen Besitzer, Stefan Altschäffel.
Seit Anfang September 2022 steht nun eine „neue“ Gebrauchtorgel, ein Positiv der badischen Orgelbaufirma Späth in der Filialkirche St. Stephanus zu Amselfing und ersetzt das oben besachreibene Harmonium - was damit wohl seinen Dienst geleistet hat. Das neue Instrument verfügt über drei Register 2′, 4′ und 8′ und über ein angehängtes Pedal. Es wurde geliefert, aufgebaut und intoniert vom Straubinger Orgelbaumeister Anton Habetin und begutachtet und erstmals in Amselfing bespielt vom Ittlinger Kirchenmusiker Stefan Seyfried.